Mattenkapitel - Europa

Das Europa der Kapuziner: „Wohin gehst du?"

Br. Pio Murat OFMCap

In den letzten Monaten hatte ich die Gelegenheit, einige Klöster in Belgien, in der Schweiz und in Italien zu besuchen. Einige von ihnen waren bereits im 16. Jahrhundert gegründet worden; sie sind ein lebendiges Zeugnis für die Vitalität des Ordens seit seinem Ursprung. Das Europa der heutigen Kapuziner - besonders in Nordwesteuropa - stellt sich ganz anders dar. Der hohe Altersdurchschnitt in den Provinzen und die Abnahme der Zahl der Novizen lässt bezüglich der Zukunft unserer Präsenz in Europa viele Fragen offen. Der Generalminister, sein Rat und die betroffenen Provinzen sind herausgefordert.

Man kann diese Ausdünnung als eine Prüfung verstehen. Sie kann aber auch eine Herausforderung sein, von neuem über den Sinn unserer Präsenz in einer säkularisierten und multiethnischen Welt nachzudenken. Die Nostalgie nach vergangenen goldenen Zeiten ist nicht eine Einstellung, die sich als fruchtbar erweisen könnte. Die wesentlichen Elemente unserer franziskanisch-kapuzinischen Berufung bleiben dieselben. Mit ihrer Hilfe können wir der Welt und den Menschen dienen. Die Brüderlichkeit, die Suche nach Gott im Gebet, der Dienst an den Kleinen und Armen und unsere evangelische Sendung zu den Menschen von heute, dies alles sind gestern wie heute sprechende Zeichen. Der Brief des Generalministers: „Entzündet von neuem die Flamme unseres Charisma!" war ein nachdrücklicher Appel an uns, dass wir neuen Schwung gewinnen.

Für Europa und die Zirkumskriptionen, die mit ähnlichen Situationen zu tun haben, kann es nicht darum gehen, an unseren Präsenzen von früher festzuhalten. Gefragt sind „Zeugnisfraternitäten" - andere nennen sie „Schlüsselfraternitäten" - So soll das Wesentliche unserer Berufung weiterleben und am Dienst für das Evangelium teilnehmen können. Ganz klar geht es nicht um „Pilotfraternitäten" und „Modellfraternitäten". Es geht um Brüder, die - überzeugt von der Schönheit unserer Berufung und überzeugt von deren Bedeutung für unsere Gesellschaft - bereit sind, voll Vertrauen Spuren einer lebendigen und nachhaltigen Präsenz zu legen.

Im letzten Juni haben sich die Präsidenten der Kapuzinerkonferenzen Europas und der Generalrat getroffen und sich mit den Fragen um unsere Präsenz in Europa beschäftigt. Sie haben die Tagesordnung des Treffens aller Minister Europas (Provinziale und Kustoden) erarbeitet. Vom 1. - 5. Dezember 2014 findet dieses Treffen in Fatima statt. Am Treffen werden 80 Brüder aus Europa sowie die Präsidenten der anderen Konferenzen erwartet. Der Akzent wird nicht auf Vorträgen liegen, sondern auf den Zeugnissen eigener Erfahrungen und auf dem Austausch zwischen den Teilnehmern. Es besteht die Absicht, aus dieser Begegnung konkrete Vorstellungen über die Zukunft herauswachsen zu lassen.

Unser Wunsch ist es, dass dieses Treffen der Minister Europas an einem wichtigen Ort des Glaubens uns konkrete Hoffnungen eröffnet und uns fruchtbare neue Wege in die Zukunft zeigt.