Ordo Fratrum Minorum Capuccinorum IT

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Homilie für die Gemeinschaft der Kurie

Homilie für die Gemeinschaft der Kurie
nach Abschluss des Generalkapitels
Fest des hl. Josef Cupertino
Rom, 18. September 2018

Br. Rainer Cantalamessa OFMCap

Das Evangelium, das wir gehört haben, kommt an den Festen franziskanischer Heiliger mehrfach vor, zuallererst am Fest der hl. Vaters Franziskus. Es wurde ohne Zweifel wegen der folgenden Zusage gewählt: „Du hast dies den Weisen und Klugen verborgen, den Kleinen aber offenbart:“ Dies, das sind die Geheimnisse des Reiches, womit verhüllt ausgedrückt wird: „Du hast ihnen meine Person, mein Geheimnis offenbart“.

Jesus benennt das, was in seiner Umwelt geschehen ist. Gehört haben nicht die Lehrer des Gesetzes, nicht die Schriftgelehrten, nicht die Weisen der Zeit, sondern die Fischer und nach ihnen die Armen, die Demütigen, die Frauen, die man damals unfähig für die Bildung hielt. Diese Situation hat sich im Lauf der Kirchengeschichte unzählige Male wiederholt; die franziskanischen Heiligen sind dafür Zeugen. Josef von Cupertino ist einer von ihnen. In der Schule war er keine Leuchte; deshalb wird er noch heute von den Studenten vor den Examen angerufen. Gläubige dieser Art sind auch unsere heiligen Laienbrüder, die den grösseren Teil der Tafeln, die ihr vor euch an den beiden Seiten des Altars seht, ausfüllen. Sicher, es gab auch im franziskanischen Orden äusserst gelehrte und weise Heilige, aber solche sind sie erst geworden, als sie „töricht“ aus Liebe zu Christus geworden sind.

*  *  *

Ich müsste eigentlich an dieser Stelle meine Darlegungen abschliessen, aber ich verspüre den Wunsch, noch einen Gedanken anzufügen, nicht zum Fest des Tages, sondern zur Stunde, die unser Orden zu Beginn der Amtszeit einer neuen Ordensleitung erlebt. Bei jeder Wahl oder Ernennung zu einem Amt in der Kirche, gibt es zwei Momente: die Wahl und die Weihe. Das zeigt sich deutlich bei der Ernennung eines Bischofs. Zunächst wird er gewählt oder ernannt, dann wird er geweiht. Mit der Wahl wird ihm eine Aufgabe zugewiesen, aber nur die Salbung vermittelt ihm die Gnade, mit der er sein Amt entfalten kann.

Diese beiden Momente sind bereits im Alten Testament bei der Salbung des Königs, der Propheten und der Priester nachzuweisen. „Ich habe David meinen Knecht gefunden, mit meinem heiligen Öl habe ich ihn geweiht“ (Ps 89,21). Jesus selber führt auf die messianische Salbung, die er bei der Taufe im Jordan empfangen hatte, die Macht und die Autorität, mit der er wirkt, zurück: „Der Geist des Herrn ist über mir, er hat mich geweiht mit der Salbung…“. Die Ernennung zum Generalminister eines Ordens und zu anderen Aufgaben ist nicht ein Sakrament, denn sie verlangt nicht den Ritus einer Weihe oder das Auflegen der Hände. Abe die Aufgabe, zu deren sie gerufen sind, fällt zusammen mit einer der Aufgabe eines Bischofs, mit dem Leiten des Ordens. Aber auch sie brauchen neben der Wahl eine neue Salbung. Keine rituelle Salbung, aber eine „spiritalis unctio“, eine innere spirituelle Salbung.

Die Wahl verleiht Autorität, aber nur die Salbung gibt auch die Kompetenz, d.h. diese Art von Autorität, die nicht die Menschen, sondern nur Gott verleihen kann. Der hl. Thomas von Aquin hält fest, dass es jeweils zu einer neuen Sendung des Heiligen Geistes kommt, wenn einer zu einer neuen Aufgabe und Verantwortung in der Kirche berufen wird. (vgl. Summa theologica I, q.43, a.6, ad 2). Gemeint ist das, was wir als „Standesgnade“ bezeichnen.

Die Salbung mit dem Geist ist nicht nur da, wenn wir mit einem neuen Dienst in der Kirche beginnen. Sie begleitet den Menschen in seiner ganzen Entwicklung. Sie wird jedesmal aktiv, wenn wir sie brauchen und wir verlangen nach ihr mit unserem ganzen Glauben: wenn wir eine Entscheidung treffen sollen, wenn wir eine Ernennung vornehmen, wenn wir ein Dokument verfassen… Ich mache diese Erfahrung in meiner Predigttätigkeit. Manchmal konnte ich diese Erfahrung mit Händen greifen.

Was soll man also tun? Gläubig darum bitten und diese neue Salbung bereitwillig empfangen. Papst Franziskus hat diese Erfahrung gemacht, als er zum Papst gewählt wurde. Das hat er mehreren Personen anvertraut. Im Augenblick, als er sich bewusst wurde, dass er zum Papst gewählt war, fühlte er, wie ein tiefer Friede seine Seele umfing und wie die Angst zurückwich und Vertrauen und Mut ihn erfasste. Das war wirklich die Salbung des Heiligen Geistes. Die Erinnerung an diesen Augenblick - da bin ich mir sicher - hilft ihm jeden Tag die erdrückende Last seines Amtes zu tragen.  

Das beste Geschenk, das wir Brüder an der Generalkurie und die Brüder in der weiten Welt machen können, ist es, Gott mit all unseren Kräften in der Eucharistie, die wir jetzt feiern, zu bitten, dass Ähnliches unseren neuen Oberen zuteil wird, ganz besonders natürlich dem neuen Generalminister.

Letzte Änderung am Mittwoch, 10 Oktober 2018 15:49